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"Kirchenputzen ist eine Heidenarbeit":
Markus Binder + HP Falkner, Attwenger



"Ich dachte mir, diese Leute zu interviewen muß die Hölle sein, und es war die Hölle." (Judith Schnaubelt, Zündfunk)

"I have no idea what itīs all about, but i like the general noise, a great deal". (John Peel, BBC)


Erstes Konzert im April 1990. Arena Wien, 3 Uhr morgens. Der Name Attwenger stammt aus einem Gstanzl, das im oberösterreichischen Regionalsender gespielt wurde. Erste CD/LP "Most" im Frühjahr 1991, wie die weiteren Tonträger auf dem Münchner Label Trikont erschienen. 92 und 93 werden "Pflug" und "Luft" veröffentlicht, die in Österreich jeweils zum Album des Jahres gewählt werden, woraufhin dieser Wettbewerb wieder abgeschafft wird. Nach der Fertigstellung des 35mm-Streifens "Attwengerfilm" und einer Sibirien-Tournee lösen sich Attwenger im Herbst 95 auf, um im Sommer 96 neue Stücke zu entwickeln, die 97 auf "Song" veröffentlicht werden. Und dann geht es wieder weiter: Nach Konzerten u.a. in Vietnam und Pakistan erscheint mit "Sun" im Frühjahr 2002 das fünfte Album, auf dem in 15 Stücken die aktuelle Deutung des attwengerschen Begriffs von Dialekt & Sound erfolgt.

Vero: Gibt es eigentlich Spiritualität in der Österreichischen Volksmusik? Die scheint euch ja wichtig zu sein. In einem Interview wart ihr mal beeindruckt, wie sehr andere Kulturen an ihren Traditionen festhalten und sich in irgendwelche Dimensionen trommeln. Dazu gab es dann den Vergleich, dass sich das pakistanische Trommeln mit Holzhacken vergleichen lässt.

H.-P. Falkner: Ja- des hod er g'sogt über irgendsoeinen indischen... Also, da waren wir einmal in Pakistan und da haben wir festgestellt, dass die Musik dort anders performt wird, anders aufgeführt wird - weil die im Sitzen Schlagzeug und Trommeln spielen, teilweise ohne Sticks oder Steckerln, sondern mit den Händen. Und das hat einen andern Groove. Und dadurch ist das herausgekommen, dass man sagt: Das ist wie Holzhacken.

M. Binder: Deaf i wos sag'n? Die Spiritualität ist durch Religion ersetzt worden. Spiritualität in dem Sinne ist ja nix religiöses prinzipiell. Sagen wir mal Spirits. Es gibt zum Beispiel Leut', die glauben daran, dass sie mit ihren verstorbenen Verwandten reden können, oder sie können total wahnsinnige Dinge machen. Mit Drogen, oder ohne Drogen- is' ja wurscht. Und die Frage ist interessant, ob es diese Formen von nicht religiösen oder nicht reglementierten, sozusagen spirituell-artigen Dingen, in dieser Zone, in der wir uns befinden und Musik machen, gibt - oder was damit passiert ist.
Ich könnte mir schon vorstellen, dass Attwenger, was ich jetzt mal für ein atheistisches Projekt halte, dass das schon von Sound und Sprache her kratzt oder eine Ahnung hat von irgendwelchen Sachen, die über das Rationale hinausgehen. So, wie Musik das eigentlich immer macht, oder?

Vero: Würde ich nicht behaupten.

M. Binder: Nicht immer, oder was? I woaß aa ned. Aber Musik ist schon immer interessant, wenn sie nicht kalkulierbar ist. Und das ist etwas, was Attwenger schon auch machen soll, also sich abheben. Das Problem ist das Wort Spiritualität. Da denkt man immer gleich an Dinge, die man unter diesem Namen kennt. Aber man muss immer neue Begriffe für das finden, was man macht, wenn es sich nicht mit anderen Dingen, die genauso heißen, deckt.

Vero: Vielleicht kann man dann ja eher von einer Bewusstseinsbildung sprechen. Wenn man den Leuten was reindrückt oder ein Bewusstsein für eine Sache schaffen möchte, dann verwendet ihr dazu bestimmte Mittel, wie zum Beispiel Wiederholungen.

M. Binder: Die Wiederholung ist ja keine Message, sondern eine Technik. Die steht natürlich in diversen Gegenden in engen Zusammenhang mit spirituellen Geschichten, oder? Die Trommeln dann irgendwie zwei Tage durch, singen ... und so. Aber das, was emotional passiert, das kann sich in den totalen Wahnsinn reinsteigern. Wenn wir Zweitageskonzerte spielen würden - wir spielen ja immer nur zwei Stunden - aber wenn wir ein 48-Stunden-Konzert spielen würden, ein total delaymäßiges 48-Stunden-Konzert, verstehst - dann puhhh!

H.-P. Falkner: Deaf i no wos song? Ganz kurz- über Spiritualität und die Religionen. Kirchenputzen is' eine Heidenarbeit.

Vero: Zur "Neuen Volxmusik": Der Buchner von Haindling hat ja eigentlich auch schon vor zwanzig Jahren die Musik anderer Kulturen in seinen Sound mit einbezogen. Dazu singt er dann auch noch in der Mundart. Bei Hubert von Goisern gibt es ähnliche Tendenzen. Sind das eigentlich Kollegen von euch, oder distanziert sich Attwenger eher von solchen Vergleichen?

M. Binder: Österreichische Kollegen in dem Sinn haben wir eigentlich nicht. Solche Vergleiche würde ich nicht anstellen. Und der Buchner macht eh sein Zeug. Wir sind nicht Kollegen aus einem Genre.

Ingo: Gibt's dann eh gar keine Kollegen von euch?

M. Binder: Na ja, ihr spielt halt jetzt an auf so Kollegen, die ich gar nicht aussprechen will. Da fühlt man sich eher mit ganz anderen als Kollegen. Da gefällt mir ein Fred Frith schon eher. Das hat gar nichts damit zu tun, ob das jetzt Dialekt ist oder nicht. Da geht es um eine gewisse Verständnisweise von Musik. Klar, es gibt in Österreich einige, die auch im Dialekt singen - aber die würd' ich jetzt nicht unbedingt als Kollegen bezeichnen. Sondern die machen halt auch irgendwie ihre Geschichten.

Vero: Aber wir sind uns schon einig, dass man im Dialekt singt, und nicht auf Englisch, um an die Leute auf eine ganz besondere Art und Weise ranzukommen.

M.Binder: Ja. Stimmt. Aber wir kommen jetzt auch mit dieser Sprache an, wenn wir nicht in Europa sind. Also, in Pakistan zum Beispiel. Und die verstehen uns auch. Oder in Sibirien sind wir auch verstanden worden. Aber es geht eben auch um Rhythmus. Du versteht ja auch nicht jeden Hip-Hopper. Da geht's ja auch darum, wie er das rüberbringt.

Vero: Aber wenn ich dann so was wie "Ernst Jandl-Anlehnung" lese oder mir den Text von "Kaklakariada" anhöre, dann hat das für mich ja schon eine Aussage.

H.-P. Falkner: Ja, des is' scho klar. Aber wenn's um Ähnlichkeiten geht, dann ist da nicht die Sprache entscheidend. Es geht eben nicht um Sprache als Identifikationsmerkmal. Wenn du sagst: "Kaklakariada", dann ist das sicher wichtig, aber es ist egal, in welcher Sprache.

Ingo: Ihr sagt also die Musik ist die Sprache, weil euch die Leute in Pakistan auch verstanden haben. Was wollt ihr denn eigentlich vermitteln?

M. Binder: Ja, Musik! Das ist eine Frage, wie du Musik definierst. Ich definiere Musik halt als eine Geschichte, wo Stimmungen entstehen. Wo für alle Beteiligten ein lässiges Erlebnis stattfindet. Wo was abgeht, was ich nicht genau definiert haben will. Also Musik heißt für mich dann halt irgendwie: abheben, irgendwie: weiß-ich-nicht-Bewegung, irgendwie: Sound, also alles.

Vero: Die neue Platte "Sun" is ja unglaublich filigran. Es wird ja jetzt nicht mehr einfach nur gegen eine Drummachine gespielt. Im Vergleich zur "Most" liegen ja da technisch Welten dazwischen. Wo geht das alles in Zukunft hin?

M. Binder: Das geht ja immer weiter. Wir sind auf einer Stufe, die sehr ausbaufähig ist. Also, es wird alles gesammelt. Das geht so weit, das er zum Hias sagt: "Du, nimm amoi die Klotüre von dem Inder auf." Wenn du die einmal aufmachst, braucht's drei Minuten, bis sie wieder zu ist. Das inspiriert dich für irgendwas.

Ingo: Und die politische Dimension von Attwenger drückt sich dann aus in Sounds, Musik und im Text aus - ist das so?

M. Binder:Welche Sounds du verwendest, das geht ja über die konkrete Aussage hinaus. Und das ist ganz klar - wenn du Sounds und Styles mischst, heißt das auch, dass du eine gewisse Position auch gesellschaftlich vertrittst. Da seh' ich jetzt ganz speziell auf der "Sun" die Frage, dass man eine Mischung macht. Mischen, Mischen, Mischen. Mischen is' guad.

Vero: Wo ist jetzt da die Aussage?

M. Binder: Die Aussage soll ja nie so pur und einfach sein - das soll ja komplex bleiben. Ich tue mich schwer, das jetzt so attwengermäßig auf klare Botschaften zu reduzieren. Es gibt zwar immer so kurze Statements von uns, aber ich will das jetzt nicht - was der Markt eigentlich verlangen würde - machen.

Ingo: Texte unabhängig von der Musik zu veröffentlichen, kommt für euch dann wahrscheinlich nicht in Frage.

M. Binder: Wenn du so was machen würdest, dann wären das natürlich andere Texte- das ist klar. Das geht immer nur in einem wechselseitigen Verhältnis.


Das Interview führten Veronika Schreiegg und Ingo Stamm.


 www.attwenger.at

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