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November 5, 2001
Das öffentliche Leid


Statt "Soundtrack der Woche" wird Maximilian Hecker diese Woche als virtuelles Ereignis verarztet, denn es fehlt dafür die materielle Grundlage "Besitz der betreffenden CD bzw. Tonträgerin". Der Verlauf des Konzerts in München am 1. November gebietet einen ausgiebigen Bericht: "Das öffentliche Leiden des Maxililian H. (24)".

München, Club 2, drinnen voll, draußen "ausverkauft" auf Zettel. Drin wartet außer mannigfachem Publikum noch ein Fernsehteam vom ZDF, um Maximilian Hecker (24) zu filmen.

Das geht ganz gut, er witzt sogar noch: "Für das ZDF spiele ich jetzt erst mal Country Roads". Mann vom ZDF filmt, Maximilian spielt. Dann ist das Lied aus, der Schwenk auf die Zuschauer gemacht, das Licht auf der Kamera erlischt. Und nichts mehr wird danach noch so sein, wie es war.

Denn es beginnt nun: das öffentliche Leid des Maximilian H. (32). Im nächsten Lied an der Gitarre, "There's no place to hide", mitten drin und ohne offensichtlichen Grund, bricht er ab, stellt tonlos die Gitarre auf den Ständer, setzt sich ans Keyboard und starrt minutenlang stumm vor sich hin. "Was ist denn los? Sag doch mal was", rät laut ein Lockenkopf aus dem Publikum. Hecker (36) sagt nichts, dreht sich zur Seite, steht schließlich auf und geht zurück ans Gitarrenmikro. Singt sein Lied, als sei nichts gewesen.

Ein schönes Lied. Stilles "Danke" vom Star. Leise klatscht das Publikum. Er braucht drei weitere Songs, bis Maximilian H. (49) Worte findet:
"also ... ich halte es für am besten, mit der Sache offen umzugehen, anstatt so zu tun, als sei nichts. Die Sache ist: Ich habe Angst, echt. Totale Angst. Ich bin heiser, meine Stimme macht nicht mehr mit. Das ist jetzt das achte Konzert, und ich weiß nicht, wie das noch gehen soll."
Wirklich, fast sieht es so aus, als würde er weinen, als er wieder zur Gitarre geht und dabei irgend etwas in der Region unterhalb seiner Augen leise glänzt.

Auch im Normalzustand weint Maximilian Hecker (24) seine Lieder in sich hinein, laut, das ist also nichts Neues. Aber hier auf der Bühne steht Maximilian Hecker (63) und beweint sich öffentlich - und stimmlich leise.
"Ihr müsst euch das mal vorstellen, wenn jetzt mein Job nicht Musiker wäre, sondern wenn ich Dosen einsortieren würde, wenn mir dann meine beiden Arme fehlen würden."
Lacher aus dem Publikum. Hecker blickt ernst:
"Das war jetzt eigentlich nicht als Witz gemeint."
(Pause)
"Vielleicht sollte ich einen Witz erzählen."
(Pause)
"Die Ärzte nennen das, was ich habe, transgressives Irgendwas (unverständlicher Ausdruck), das muss man sich so vorstellen wie eine Treppe, auf der es immer nur aufwärts geht."

M. Hecker (74) blickt ratlos in ein ebenso ratloses Publikum, das ihn angafft wie eine sprechende Kuh, sich aber inzwischen nicht mehr so ganz zu applaudieren traut - er könnte es ja als Angriff empfinden. Manche lachen halt dann. Hecker, nach ausgedehnter Sitzpause, bereits im Aufstehen:
"Also gut. Ein Deutscher, ein Italiener und ein Franzose..."


Alle lachen. Gut gekontert, etc.? Denkste. Geht weiter mit weinen. Als Selbstironie hätte die Show bis hierher gereicht. Es war aber keine Ironie. Maximilian Hecker (24) spielt erstmal weiter, dann aber sucht er doch noch drei Mal den helfenden Kontakt mit dem Publikum - sehr ausführlich. Das Publikum sieht sich außerstande zu helfen, wie denn auch. Erst später, nach Ende des Auftritts, ringt es sich zu vereinzelten Kondolenzbesuchen beim vermeintlich verschmähten Star durch. "Hey, ich fand dein Konzert echt gut." - "Danke", sagt dann Maximilian Hecker, derzeit Star und Inhaber mehrerer "Platten des Monats", eingermaßen ehrlich bewegt und kurzzeitig lächelnd.

Was für ein Ende dieses Auftritts: Nach zwei selbst auferlegten Zugaben (Grandaddy, wirklich lässige Cover-Nummern) sagt er "Ich beende das jetzt. Es tut mir leid, dass dieser Auftritt so war, dass ihr ihn so erleben musstet. Tut mir leid." Kein Abgang, sondern ein gebrochen am Keyboard sitzender Maximilian H. (1024) und ein ratloses Publikum, das so etwas noch nie erlebt hat.
Keine Musik läuft im Club. Gedämpftes Sprechen. Hörer hasten an die Luft.

"So ist der", wird der Bekannte S. hinterher sagen, den das Ganze ziemlich genervt hat. "Er hat einem schon leid getan", sagt die Bekannte H., mitgefühlig. H's Bekannter J. findet das alles Teil des Systems: "Ich bin mir ganz sicher, das gehört zu seiner Show. Die Ironie der Ironie sozusagen." Nochmal rein in die Halle. Der Abend, der sich wie in den Sand gefahren anfühlt, kommt erst langsam frei. Alles weiter. Aber nichts mehr ist so, wie es war. Dabei sagt Maximilian H. (24): "Mit den Songs auf der Platte bin ich zufrieden."

Wäre er es mal live auch gewesen. Keiner hätte ihn für heiser gehalten. So aber reimte sich "Hold me tight" auf "Heiserkeit", und "There's no place to hide", der Song, bei dem das Ende begann, wurde bitter wahr für H.

Das ZDF, leider, hatte die traurige Sensation verpasst. Hatte gerade eben vor "There's no place to hide" die Kamera wieder eingepackt. Und folgerichtig wird im Beitrag im ZDF wahrscheinlich ein Maximilian Hecker (19 oder so) zu sehen sein, der von seiner späteren Heiserkeit noch nichts ahnt. Ja, ein positiver Beitrag, wie so viele in der letzten Zeit. Wie so viele, die die Heiserkeit im Leben des Maximilian H. erst zu einem Problem machten.

Mal kucken, ob aus seinen nächsten 15 Konzerten noch was wird. Das ist jetzt kein Zynismus. Genau den hätte Maximilian Hecker mir nun übrigens vorgeworfen.





November 3, 2001
Home Sweet Home


Inneres Heim & Haus. Jeder will nach innen finden, irgendwann in seinem Leben. Klar findet er es auch, irgendwann, das sei mal als machbar vorausgesetzt. Jeder hat die Chance. Steht in den Büchern.

Auf den Etiketten der Flaschen steht meistens nichts sowas wie: "Achtung: Sie finden sich hier drin selbst" (modern). Oder: "Wohlan, tritt ein, in Deine Welt" (alt). Oder: "Sei willkommen bei uns zuhaus" (zeitlos). Wir sind ein gutes Team, du und ich, wir gemeinsam sind das Uns. Die Zusammenarbeit, das sei gesagt, ist eine eingeschränkt romantische, sie wird manchmal gesucht und manchmal eben nicht. Sie ist eine Beziehung zum Zweck. Kein Verfallen, kein Verfall. Keine Abhängigkeit, vielleicht Abhängen. Keine Liebe. Höchstens Streben. Worin willst Du Dich finden? Und worin kannst Du es?

Alles, z.B. Musik, lässt sich mit etwas Grundwillen (oder auch ohne, vielleicht) auf durchsichtig glasigem Boden mindestens leichter finden. Herumkriechend und suchend, oder so. Oder durch die Glaswand auf die Bühne blickend, bis sich der rote Vorhang verzerrt, unabsichtlich möglicherweise. Oder dem Klang des Glasteams hinterherhörend. Ziel: Rein, nur drin sein. Wollen alle, ich weiß und will es auch so.

Exkurs. Reise in den Backstageraum. Reisemetaphern: verbraucht. Also eher: Spaziergang, oder besser: Museumsbesuch. Z.B. 1988. Familie, Hund, Fernseher, Elternmöbel. 1992: Raus, Welt, Auflehnung. 1994: Liebe, Sehnsucht, Neubeginn. 1996: Trauma, Urlaub, Seelenlos. 1998: Nichts, Enge, Wegwunsch. 2000: Neuer Bruch, altes Pech, Ferne ist hier. Schöne Scheiße, das, eigentlich, und kein Grund, jetzt plötzlich alles besser zu finden. Fuck die Vergangenheit.

Reise ist ein schlechtes Beispiel: Reise ist Erinnern, Rausch ist Vergessen. Im Hier sein ziehe ich vor gegenüber dem Dortsein. Das ist die Theorie. Die Praxis: vielleicht mehr Hier als Dort, aber immer noch zuviel von dem, was grade weg ist und nicht bei mir. Ende Exkurs. Reise reimt sich auf Scheiße.

Grundfrage ist noch zu klären: Ehrlicher oder unehrlicher, klarer oder verklärter im und durch Rausch? Für meinen Teil, ein undeutliches Zwei zu Zwei: Angeschlagen und verletzlich auf der einen Seite, frei und gewiss auf der anderen. Passt von innen zusammen, von außen nicht. Suche nach Wahrheit, drunter machen wir es nicht mehr, in unserem Alter. Ist der, diesmal reale, Backstageraum das Ende (der Illusion) oder der Anfang (von allem)? Ist alles, was uns kommerziell fröhlich macht, wahr und selbst empfunden oder nur große Gaukelei, eine Schaukel der ganzen Stadt, die nach Schwung swingt, in Wirklichkeit dabei aber immer stehen bleibt?

Wenn Rausch das Erkennen befördert und bevorzugt, dann macht es wohl in Wahrheit das innere Licht an. Es lässt uns sehen: Das hier ist die Inneneinrichtung Deines kugelrunden Systems, welches normalerweise abgedunkelt ist, so dass Du nur die Lichtscheine von aussen empfangen kannst und nichts von Dir selbst siehst. Nichts außer der Färbung der Lichter von draußen, die dir nach langer, zweifel- und schmerzhafter Beobachtung einen Verdacht geben, wie da draußen das Licht scheint und wie es sich auf dem Weg nach innen möglicherweise verfärbt.

Ein Vergleich zwischen innen und außen ist so nicht möglich. Vielleicht ist das der Menschheit Fluch, dieser zweifelhafte Versuch, es trotzdem zu schaffen. Ein Erkennen der Fensterfarbe, ihres Vorhangschmucks und der Glasmalerei. Wie, wie, wie bloß. Wie schaffen die das. Möglichkeit a): Die Buddhisten haben's rausgekriegt. Möglichkeit b): Die haben nur eine neue Schaukel weiter oben festgeknotet.

Ob denn Licht von hier nach draußen fällt? Muss es einfach mal mit aller Kraft versuchen. Das Licht anmachen. Vielleicht klopft dann jemand an die lang vergessene Eingangstüre, und ich mach sie einfach auf. Dann kann ich auch mal nach draußen schauen. Vielleicht schneit es. Das wär schön.








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